Dominique Devenport ist seit «Sisi» und «Davos 1917» die gefragteste Schweizer Schauspielerin. Sie sagt: «Ich war vollkommen überzeugt, dass ich gut genug bin.» Ein Porträt.
Leonie C.Wagner
5 min
Hier oben herrsche eine ganz eigene, raue Atmosphäre, sagt Dominique Devenport. Die Rede ist nicht von Davos, nicht von der Serie, die schon über eine Million Schweizer gesehen haben. Devenport spricht von Rostock, wo sie seit drei Jahren lebt, eine Schweizerin im hohen Norden. Ihr gefällt es. Es ist leicht, sich vorzustellen, wie sie am Meer entlangläuft und der Winterwind ihr die Farbe in die Wangen treibt. Die flache norddeutsche Landschaft nennt man «platt». Nichts verstellt den Blick. Das passt zu dem, was Devenport sagt, wie sie geradeheraus spricht.
Dominique Devenport interessiert das Machen. Sie sei Schauspielerin, weil sie gern spiele, sagt sie. Ein Film- und Theaternerd ist sie nicht unbedingt. Devenport sitzt in ihrem WG-Zimmer in einer Rostocker Altbauwohnung. Die Wände sind in einem warmen Gelb gestrichen, hinter ihr hängt ein Tuch mit Mandala-Muster in Erdtönen. Im Regal herrscht eine entspannte Ordnung, ein paar Bücher stehen, einige liegen, ein paar kippen zur Seite weg, an einer Kante hängt ein Basecap. In der Schauspielschule hat Devenport in einem Stück von Elfriede Jelinek gespielt, sie selbst liest gern «Harry Potter» und schaut «Rick and Morty» oder «Friends».
Mit 25 Jahren spielte Devenport die Hauptrolle in der RTL-Serie «Sisi». Schlagartig wurde sie berühmt. 2023 wurde sie als Kaiserin Elisabeth für den deutschen Filmpreis nominiert. Und gerade gewann Devenport in Solothurn den Schauspielerpreis in der SRF-Serie «Davos 1917». Sie trage die Serie, heisst in der Begründung. Das klingt, als würde noch viel kommen.
«Diese Art des Umgangs fasziniert mich»
Wir sind für ein Online-Gespräch verabredet, für ein Treffen hat Devenport keine Zeit, ihr Leben ist gerade trubelig. Vor ihrem Zimmer sei eine Baustelle, sagt sie entschuldigend und lacht. Macht nichts, man hört sich gut. Sie erzählt ungezwungen und frei heraus, ihr Blick ist offen, auf ihren Lippen liegt eigentlich immer ein leichtes Lächeln, das oft in ein warmes Lachen übergeht. Sie ist 27 Jahre alt, wirkt ungekünstelt und nimmt einen sofort für sich ein.
Dominique Devenport ist in Luzern aufgewachsen. Schüchtern sei sie als Kind gewesen, auf dem Schulhof war es nicht einfach. Sie sang gern, also meldeten die Eltern sie in einem Kinderchor an. Das war ihr Türöffner. Eines Tages kam ein Regisseur vom Luzerner Theater. Er suchte Kinderschauspieler für «Die Leiden des jungen Werthers». Devenport musste ein paar Mal kreischend über die Bühne rennen und ein wenig singen, das war’s. Aber ab da wollte sie Schauspielerin werden. «Ich weiss noch, wie es im Probenraum gerochen hat», sagt sie.
Die Schule interessierte Devenport nicht, sie fühlte sich nirgends wirklich zugehörig. Erst im Schultheater konnte sie ihre Schüchternheit langsam ablegen. «Im Theater hatte ich das Gefühl: Diese Leute interessieren mich, diese Themen interessieren mich, diese Art des Umgangs interessiert mich», sagt sie. Ihre Lehrerin erzählte Devenport von den Schauspielschulen, bei denen sie eines Tages vorsprechen könnte.
Die erste Filmrolle
Mit fünfzehn bekam Devenport ihre erste Filmrolle in der Schweizer Fernsehproduktion «Nebelgrind». Ein Bauer muss lernen, mit der Demenz seines Vaters umzugehen, Devenport spielt seine Teenager-Tochter «Toni». Wenn man Devenport auf das Making-of-Video anspricht, in dem sie 2012 als 15-Jährige über ihre Rolle spricht, schlägt sie die Hände über dem Gesicht zusammen, lacht und sagt: «Oh, mein Gott.» Eigentlich wirkt Devenport in dem Video ziemlich lässig und gefasst, wie sie so an ein Töffli gelehnt über «Toni» sinniert, die eine rebellischere Jugendliche sei als sie selbst.
Sie sei eher angepasst gewesen, sagt Devenport. Sie schwänzte nicht, ihre Noten waren okay, nichts Auffälliges. Aber wohl fühlte sie sich in der Schule nicht. Die Zeit bis zur Matura überstand sie mit dem Gedanken an das Schauspiel. Sie jobbte im Luzerner Kino Bourbaki als Platzzuweiserin und füllte im Labor einer Apotheke Pillen ab.
Richtig losgegangen sei ihr Leben erst, als die Schule vorbei war. Nach dem Abitur sprach sie zwei Jahre lang an 12 Schauspielschulen vor, nirgends wollte man sie. Devenport blieb hartnäckig. Ihr wurde ein 12-monatiger Intensivkurs in Berlin empfohlen, also besuchte sie ihn. Anschliessend sprach sie an zwei weiteren Schulen vor und bekam endlich einen Platz an der Otto-Falckenberg-Schule in München.
Die Filmwelt ist laut, der Alltag leise
Devenport hatte keinen Plan B. «Ich war vollkommen überzeugt, dass ich gut genug bin», sagt sie, drückt alle vier Fingerkuppen an den Daumen und gestikuliert, «egal wie viele Dozenten von renommierten Schulen mir sagen, dass ich es nicht bin.» Manchmal wünschte sie, sie hätte noch immer diese Klarheit.
Dann ging es Schlag auf Schlag. 2021, sie hatte gerade das vierjährige Studium abgeschlossen, wurde Devenport für die Hauptrolle in «Sisi» gecastet. Im selben Jahr zog sie noch Rostock, wo sie festes Ensemblemitglied im Theater wurde. Als sie dann auch noch die Hauptrolle in «Davos 1917» bekam, musste sie im Theater kürzertreten. Seither ist sie als Gast engagiert.
Seit Devenport so viel dreht, ringt sie mit dem Alltag. «Die Filmwelt ist sehr laut und wild», sagt sie. Beim Dreh werde man in eine Maschine geworfen, und dann funktioniere alles von selbst. «Im Vergleich dazu wirkt der Alltag viel leiser, als er wirklich ist.» Den Alltag zu bewältigen, Freunde zu treffen: Gerade das sei es, was ihr Stabilität und Glück gebe. «Das hier», sagt Devenport und deutet mit einer Handbewegung auf ihr WG-Zimmer, «ist ja eigentlich meine Realität. Das andere kommt und geht.»
Ob sie sich eine andere Realität vorstellen könne als Rostock? Amerika, zum Beispiel? Das wäre für eine aufblühende Schauspielerin ja naheliegend. Tatsächlich ist Devenports Vater Amerikaner. Als Kind war sie oft dort, um Verwandte zu besuchen. Ihr jüngerer Bruder lebt inzwischen in Amerika, den hat es schon als Teenager gepackt. Und auch sie spüre einen amerikanischen Teil in sich, sagt sie, aber als Lebensort sei das gerade kein Thema.
Die Schwierigkeit, normal zu sein
Devenport spricht davon, wie wichtig es sei, «einen guten Boden unter den Füssen zu haben». Wie schwierig es sei, normal zu sein und andererseits grosse Rollen zu spielen. Auch für Devenport stellt sich gerade die Frage, wie sie mit Privatsphäre und Öffentlichkeit umgehen möchte. Familie und Freunde will sie schützen, ihr Instagram-Kanal ist ein reiner Arbeits-Account.
«Aber was am besten funktioniert, muss jeder für sich selbst wissen», sagt sie. Ein Satz, den man öfter von ihr hört. Devenport ist keine Person, die anecken will. Als Gesprächspartnerin ist sie verständnisvoll und geschmeidig. Natürlich könne sie das öffentliche Interesse an der Person hinter der Rolle verstehen, sagt sie. «Aber mich inspirieren Schauspieler, die spannende und tiefe Rollen spielen können und dabei eine gewisse Würde, eine gewisse Skandalfreiheit und eine gewisse Gesundheit aufrechterhalten können», sagt sie. Und spricht von Cate Blanchett, Meryl Streep und Sandra Hüller.
Gerade habe sie die Netflix-Serie «Saltburn» gesehen. Rosamunde Pike hat es ihr angetan. «Mit welcher Intensität sie ihre merkwürdige Figur behauptet! Ich finde das wahnsinnig beeindruckend.» Schauspieler, die Devenport wirklich beeindrucken, würden sich nur für ihre Rolle interessieren. «Alles aussenherum, wie sie aussehen, das interessiert sie nicht, das können sie ablegen. Das hat mir geholfen zu sagen: Ignorier die Zweifel, und konzentrier dich auf das, was du machst.»
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